Gerechtigkeit – was bedeutet das eigentlich?
Wer diese Frage philosophisch angeht, begibt sich in einen tiefen, dunklen Wald, aus dem man nur schwer wieder herausfindet. Für die meisten von uns ist Gerechtigkeit fest in unserem kulturell-gesetzlichen Kontext verankert. Doch wissen wir, dass objektive Wahrheit – und damit auch Gerechtigkeit – nicht immer so eindeutig ist, wie sie scheint.
In unterschiedlichen Familien und Kulturen gelten unterschiedliche Regeln. Eine Mafia-Familie etwa hat ihre eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit, die sich stark von staatlichen Gesetzen unterscheiden. Das wissen die Mitglieder und tun alles dafür, diese zu umgehen oder nicht erwischt zu werden. Was soviel heißt wie, dass ihre Gesetze den staatlichen untergeordnet sind.
Es gibt viele verschiedene Arten von Gesetzen:
Religiöse Gesetze: z. B. „Du sollst nicht töten.“
Kulturelle Gesetze: z. B. „Der Mann bringt das Geld nach Hause.“
Staatliche Gesetze: z. B. „Falschparker werden bestraft.“
Familiäre Gesetze: z. B. „In dieser Familie wird nicht gelogen.“
Karma-Gesetze: z. B. „Du bekommst, was du gibst.“
Naturgesetze: z. B. das Gravitationsgesetz.
Und schließlich gibt es noch planetare Gesetze, die sich von den oben genannten unterscheiden, aber teilweise mit den Gesetzen der Natur überschneiden.
In der Welt, in der wir leben, ist es falsch, diese verschiedenen Gesetze einfach nebeneinanderzustellen und zu versuchen, ein allgemeines „richtig“ oder „falsch“ zu deklarieren. Eine objektive Einschätzung ist nicht möglich. Es kann hier keine allgemeine und objektive Einschätzung geben.
In Wirklichkeit sind all diese Gesetze hierarchisch geordnet. Ihre Stellung in der Hierarchie hängt von ihrem Einfluss ab – also davon, wie viele Menschen von ihnen betroffen sind. Je größer und mächtiger die Personengruppe, auf die ein Gesetz wirkt, desto höher steht es in der Gesamthierarchie.
Zum Beispiel:
Staatliche Gesetze wirken auf alle Bürger eines Landes, mit wenigen Ausnahmen.
Familiäre Gesetze betreffen nur die Mitglieder einer bestimmten Familie.
Man kann sich das wie eine soziale Hierarchie vorstellen: Die oberen Ebenen haben Einfluss auf die unteren, aber nicht umgekehrt.
Das bedeutet, dass wenn wir rechtlich etwas legitimieren möchten, müssen die Gesetze einfach nur etwas weiter oben in der Hierarchie verankert werden.
So unmenschlich ein Umgang mit untreuen Frauen in manchen Kulturen sein mag, stellen sich viele Menschen die Frage, ob es ihre Religion erlaubt. Es scheint, als ob das allein die Rechtmäßigkeit bestimmen könnte. Und genau hier wird die Hierarchie sichtbar: Religionen kämpfen ebenfalls um ihre Position im System.
Das alles hat auch mit der „Änderung der Weltordnung“ zu tun, von der oft gesprochen wird. Denn jede Ordnung ist letztlich ein Kampf um Einfluss.
Historische Parallelen Angesichts des Aufstiegs rechter Parteien werden oft warnende Stimmen laut, die fragen, ob wir nichts aus der Geschichte gelernt haben. Und ich stimme zu. Doch ich denke dabei nicht nur an jüngere Ereignisse, sondern an die Kreuzzüge – ein Konflikt, bei dem sich nicht Ungläubige gegen Gläubige stellen, sondern Gläubige gegeneinander. Der Kontext mag ein anderer sein, die Masken mögen sich geändert haben, doch der Inhalt bleibt gleich.
Obwohl es einige wenige Menschen gibt, die zu unabhängigem Denken, also eigenen Gedanken, in der Lage sind. Das sind die, die viele eigene Rechte geschützt haben. Dazu habe ich bereits vor kurzem einen Post geschrieben.
Gesetze und Macht Nehmen wir das Beispiel der russischen „Diebe im Gesetz“ – einer Elite der organisierten Kriminalität. Ihre Macht war so groß, dass sie von der Polizei gemieden wurden. Bis vor einigen Jahren konnten sie praktisch ungestraft agieren, weil ihr Netzwerk zu mächtig war. Hier zeigt sich: Gesetze gelten oft nur so lange, wie sie von einer übergeordneten Macht durchgesetzt werden können.
Oder betrachten wir die Veränderungen der Gesetze im Laufe der Zeit. Heute gibt es bestimmte Regeln, morgen können sie schon wieder anders aussehen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Das Prinzip des Ausgleichs Im Hier und Jetzt ist Gerechtigkeit oft nicht erkennbar, weil der Ausgleich sich über lange Zeiträume erstreckt. Kausale Zusammenhänge sind oft nicht eindeutig. Ein Beispiel: Die Geschichte von Natalia Wodjanova. Vielleicht hat ihre Großmutter im Zweiten Weltkrieg jemandem das Leben gerettet, und das Leben hat später in Form von Reichtum und Erfolg eine Art Gerechtigkeit geschaffen. Doch von außen wirkt es für viele „ungerecht“, dass manche alles haben, während andere leer ausgehen.
Je weiter oben in der Hierarchie eine Ungerechtigkeit geschieht, desto länger dauert es, bis der Ausgleich erfolgt.
Hört sich das für dich nach einem Happy End an? Oder hast du das Gefühl, dass es Ungerechtigkeiten gibt, die für immer ungerecht bleiben? Ich lasse bewusst diese Frage an der Stelle offen und kann für heute zu diesem Thema nur eins sagen:
Für Gerechtigkeit müsst ihr zu Don Corleone.
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